SCHMERZEMPFINDEN

Schmerzempfinden, Betäubung und Schlachtung


Ob Hunde, Katzen oder ein ganzer Zoo - wird diesen Tieren Leid angetan, so fühlen wir mit ihnen. Doch wie steht das Ganze mit Fischen? Schließlich werden diese zum Wohlergehen der Zootiere verfüttert. Die Mehrheit verhält sich neutral in ihrer Beziehung zu den Meeresbewohnern, sie fühlen weniger stark mit ihnen, als bei den beispielhaft zuvor genannten Tierarten. Bei Nachfrage stützen sich viele auf das Argument: "Fische können keine Schmerzen empfinden!" Stimmt das wirklich oder ist es nur ein weit verbreiteter Mythos? - Wir klären auf:

Unzählige Wissenschaftler weltweit beschäftigt diese Frage. Doch gehen auch nach jahrelanger Forschung die Meinungen noch immer auseinander. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass Fische aufgrund von fehlenden Hirnstrukturen keine Schmerzen empfinden können. Es fehle ihnen dafür an Neocortex, der für eine Schmerzempfindung vonnöten sei. Wiederum könnten bei Fischen, wie auch bei Vögeln, diese Funktion von anderen Hirnstrukturen übernommen werden, argumentieren Schmerzforscher.

Was nun richtig ist und was nicht, wird in der Fischindustrie noch lange Zeit eine Rolle spielen. Denn Fisch bleibt das am meisten getötete Nutztier weltweit. Aus diesem Grund gilt für die Meeresbewohner eine Sondergenehmigung in der Tierschutz-Schlachtverordnung. Da oftmals die Zeit fehlt, dürfen Fische ohne Betäubung getötet werden. Viele Tiere ersticken demnach langsam oder werden noch lebendig aufgeschnitten und ausgenommen. Basierend auf der Annahme, dass Fische keinen Schmerz empfinden ist das für die meisten Fischer sogar teilweise vertretbar. Doch tatsächlich liegt die Vermutung greifbar nahe, dass Fische über eine differenzierte Hirnstruktur, als bei Säugetieren, Schmerzen wahrnehmen können. Somit sterben hunderte Tonnen Fisch pro Jahr vermutlich qualvoll. Zwar darf das Auslassen einer Betäubung nur erfolgen, sofern diese mit einem immens hohen Aufwand verbunden ist, doch wer überprüft das schon auf hoher See?

Ob wir über eine bewusste Schmerzwahrnehmung bei Fischen sprechen können, ist derzeit noch unklar. Der Forschung stehen bisher nicht die nötigen Mittel zur Verfügung, um das Fisch-Bewusstsein direkt zu messen/erforschen. Doch gibt es zahlreich Versuche und Untersuchungen an Fischen, die belegen, dass Fische Schmerz und Überlebenswille in ihrer Bewegung zeigen. Forscher versuchen trotz den gegebenen Umständen ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten (und) um den weit verbreiteten Anglermythos "Fische kennen keine Schmerzen" aus der Welt zu schaffen. US-Forscher sind der Sache auf den Grund gegangen: Sie behandelten Goldfische mit Morphin, einem Schmerzmittel. Diese Fische wurden anschließend mit gleichartigen unbehandelten Fischen, einem Thermobecken ausgesetzt. Ein auffälliges Angstverhalten und die Ausschüttung von Stresshormonen, wie zum Beispiel Cortisol, lassen sich häufig bei Verhaltensauffälligkeiten feststellen (siehe Artikel Stressmanagement). Während die Temperatur im Becken langsam erhöht wurde, zeigten die unbehandelten Fische schnell ein auffälliges Verhalten. Die Forscher deuteten dies als Bestätigung des Schmerzempfindens. Das komplexe Nervensystem der Fische kann jedoch weitaus mehr, wie es die US-Forscher bestätigten. Sie brachten die Fische in ein ihren Bedürfnissen entsprechend temperiertes Wasser und warteten bis das Morphin der einen Fischgruppe vollständig abgebaut war. Eine zweite Wärmeprozedur kam auf die Fische zu. Das Ergebnis ist verblüffend: Die Fische, die bereits während der ersten Wärmephase morphinfrei waren, zeigten beim zweiten Versuch von Anfang an eine auffällige Angstreaktion. Offenbar erinnerten sie sich an den Wärmeschmerz. Die Angstreaktion zeichnete sich besonders durch verwirrtes umherschwimmen und das Reiben der Mundregion am Aquarium Glas aus.

Heute gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass Fische trotz ihrer fehlenden Hirnstruktur der Neocortex, Reize über Nozizeptoren wahrnehmen können. Über diese Rezeptoren können auch Fische schädliche und schmerzvolle Reize wahrnehmen. Aus diesem Grund greifen auch für Fische die Gesetze für Betäubung und Tötung gemäß dem Tierschutzgesetz. Folgende Kriterien sind hierbei (bis auf die Sonderregelung auf hoher See) unumgänglich:

    • Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TierSchG - "Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat."
    • Gemäß § 4 Abs. 1a TierSchG - "Personen, die berufs- oder gewerbsmäßig regelmäßig Wirbeltiere zum Zweck des Tötens betäuben oder töten, haben gegenüber der zuständigen Behörde einen Sachkundenachweis zu erbringen. Werden im Rahmen einer Tätigkeit Fische in Anwesenheit einer Aufsichtsperson zum Zweck des Tötens betäubt oder getötet, so hat außer der Person, die die Tiere betäubt oder tötet, auch die Aufsichtsperson den Sachkundenachweis zu erbringen.[...]"

Nach der Tierschutzverordnung sind sowohl im Lebensverlauf, als auch bei der Tötung des Fisches jede Stress-, Schmerz-, oder Leidsituation zu vermeiden. Um den Fischen ein stressfreies Leben zu ermöglichen, ist es notwendig, die "Vorlieben" der Fische zu beachten. Ein stress- und/oder schmerzvolles Leben schadet Fisch und Fischer - ein Tier, welches ein stressvolles Leben führte, entwickelt ein qualitativ niedrigeres Fleisch. Um die Betäubung und Tötung des Fisches möglichst schmerz- und stressfrei durchzuführen, legte das Bundesamt für Justiz konkrete Anforderungen fest:

    • Gemäß § 12 Abs. 1 TierSchlV - sind Tiere so zu betäuben, dass sie bis zum Tod in einem anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden. Dies soll möglichst schnell und unter Vermeidung von Schmerz und Leid erfolgen.
    • Gemäß § 12 Abs. 6 TierSchlV - wer ein Tier schlachtet, ist dazu verpflichtet, sofort nach dem Betäuben den Blutverlust des Tieres einzuleiten, um einen möglichst schnellen Tod zu gewährleisten.
    • Gemäß § 12 Abs. 10 TierSchlV - muss jeder, der einen Fisch weidgerecht tötet, diesen unmittelbar vor dem Schlachten oder Töten nach Maßgabe der Anlage 1 Nr. 9 betäuben. Ausnahmen von dem Betäubungsgebot gibt es für Plattfische und Aale, sowie eine Sonderregelung des Tierschutzgesetzes auf hoher See.
    • Für die Betäubung von Fischen sind folgende Verfahren (Anlage 1 Nr. 9 TierSchlV) zulässig:

1. Elektrobetäubung

2. Stumpfer Schlag auf den Kopf

3. Kohlendioxidexposition bei Salmoniden

4. Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt

    • §12 Absatz 11 TierSchlV - befasst sich mit Vorschriften für das Töten von Krebstieren, Schnecken und Muscheln. Diese Meerestiere dürfen demnach nur in stark kochendem Wasser getötet werden, welches sie vollständig bedecken und nach ihrer Zugabe weiterhin

kochen muss, um eine möglichst schnelle und leidfreie Tötung zu sichern. Abweichend davon dürfen

5. die Tötung von Taschenkrebse durch eine Zerstörung der Hauptvenenzentren,

6. Schnecken und Muscheln dürfen in über 100 Grad Celsius heißem Dampf getötet werden, sofern dieser auch nach Zugabe beständig bleibt, sowie

7. Krebstiere elektrisch betäubt oder getötet

werden. Die Betäubung und Tötung der Tiere muss auch bei den Abweichungen der Standards möglichst schnell ablaufen. Nichtbeachtung dessen führt nach Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes zu einer Freiheits- oder Geldstrafe.

Dadurch, dass Fische Nozizeptoren besitzen, erfolgt die Schlachtung unter fehlender oder unzureichender Betäubung für den Fisch also durchaus schmerzvoll. Eine bewusste Schmerzempfindung bei Fischen kann nach technologischem Stand derzeit nicht erforscht werden. Aus diesem Grund fließen in die Diskussion um ein Bewusstsein bei Fischen häufig philosophische und ethische Aspekte ein. Eine nachhaltige Aquakultur, die ihre Produktqualität sichern möchte, achtet demnach stets auf eine stressfreie, artgerechte Haltung und möglichst schmerzfreie Tötung der gezüchteten Tiere. Auch Sie können als Verbraucher dazu beitragen, dass der Umgang mit Fischen nachhaltig verbessert wird. Dr. Christoph Zimmermann (Thünen-Institut für Ostseefischerei) legt auch in dieser Problematik Wert auf gelabelte Ware. Nichtsdestotrotz sollten Sie als Verbraucher auch Zeit investieren und sich mit der Herkunft der gekauften Meeresprodukte auseinandersetzen. Denn Anbieter reagieren immer entsprechend der Nachfrage am Markt. Schwenkt diese zu nachhaltiger Aquakultur um, so kann Millionen von Fischen ein stressfreieres Leben gewährleistet werden. 



Referenzen

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Süddeutsche Zeitung. (4. Juni 2015). Abgerufen am 29. März 2020 von https://www.sueddeutsche.de/leben/angeln-und-moral-vom-toeten-und-geniessen-1.2480152-2

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albert-schweitzer-stiftung. (kein Datum). Abgerufen am 12. März 2020 von https://albert-schweitzer-stiftung.de/fische-krebstiere/fische-aquakultur/2

eigenes Wissen, durch Absolvierung mehrerer Lehrgänge im Fischereibereich (Fischereischein - 2017) 

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