
Welternährung
Der Einfluss von Aquakultur auf die Welternährung
Die Menschheit steht vor einer enormen Herausforderung. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts muss eine Bevölkerung von circa 10 Milliarden Menschen mit ausreichend Nahrung und Lebensunterhalt versorgt werden. Um die Ernährung aller zu gewährleisten, muss die landwirtschaftliche Produktion um 70 % auf einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Basis gesteigert werden.
Viele Länder sind auf Importe und Exporte bestimmter Nahrungsmittel angewiesen. Wasser und Ackerland sind auf der Welt ungleich verteilt. Ein globaler Ausgleich kann nur dann erfolgen, wenn jedes Land jene Nahrungsmittel anbaut, welche unter den dort natürlich vorherrschenden klimatischen und landwirtschaftlichen Bedingungen am besten gedeihen. Fisch trägt einen erheblichen Anteil zur Welternährung bei, vor allem in Regionen mit einem geringen Angebot an Fleisch. Geschlossene oder Recirculating Aquakultur Systeme ermöglichen Binnenländern eine unabhängige und nachhaltige Produktionsmöglichkeit von Fisch. Fisch aus Aquakulturen ist zum Beispiel eine sehr wichtige Nahrungsquelle für viele Länder Afrikas. Gemessen an der weltweiten Erzeugung von Fisch aus geschlossener Aquakultur entfallen auf Afrika immerhin ein Anteil von 25 %.
Fisch enthält viele wichtige Proteine, Aminosäuren, ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, Vitamin A und D, das Spurenelement Jod und Mikronährstoffe. Die lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch stark erhalten sind, können vom menschlichen Körper nicht selber hergestellt werden. Deshalb ist Fisch ein ernährungsphysiologisch wertvoller Lieferant von Omega-3-Fettsäuren. Sie senken die Blutfettwerte und halten Herz und Kreislauf jung. Jod wirkt gegen Antriebsschwäche und Müdigkeit. Durch ein 200 g Stück Fisch kann ein erwachsener Mensch seinen Tagesbedarf an Vitamin A und D decken und somit den Knochenaufbau oder -erhalt stärken. Zudem ist Seefisch die wichtigste natürliche Vitamin D Quelle. Eiweiß aus Fischen eignet sich zudem besonders gut zum Muskel- und Abwehrzellenaufbau, da es durch eine gute Verdaulichkeit besonders gut vom Körper aufgenommen werden kann.
Je älter der Mensch ist, desto mehr Gedanken macht er sich um seine Gesundheit. Aufgrund der vielen gesundheitlichen Vorteile, die Fisch bietet, tendieren ältere Menschen dazu, öfter Fisch zu konsumieren als jüngere. In einer Online Umfrage zum Kenntnisstand über Aquakultur, von HighSea-Schülern des Alfred-Wegener-Instituts Bremerhaven 2020 durchgeführt, kann man deutliche Verhaltensunterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen erkennen. Die Umfrage ergab, dass in der Altersgruppe zwischen 15 und 40 Jahren ca. 20 % der Befragten einmal wöchentlich Fisch verzehren. 15-20-Jährige gehören zu der Altersgruppe, in der die wenigsten, nur 18 %, angaben, mindestens einmal die Woche Fisch zu essen. Mit dem Alter steigt die Anzahl der Personen, die mindestens einmal pro Woche Fisch essen an. Ab der Altersgruppe der 41-50-Jährigen verdoppelt sich der Anteil derer, die wöchentlich Fisch essen auf 48 % und steigt dann weiter in der Altersgruppe über 50 auf 51 %. Dies liegt möglicherweise daran, dass ältere Menschen bewusster leben und eher der Ernährungsempfehlung folgen, mindestens einmal wöchentlich Fisch zu essen.

Abbildung 1: Fischkonsum 15-20-Jährige

Abbildung 2: Fischkonsum über 50-Jährige
Über die Jahre hat sich der Proteinanteil in unserer Nahrung stetig erhöht. Heutzutage liegt das globale Proteinangebot pro Tag bei über 90 g/Person. Damit liegt das Proteinangebot erheblich über dem durchschnittlichen Proteinbedarf eines Menschen von 58 g/Tag.
Durch die erhöhte Nachfrage an proteinhaltigen Nahrungsmitteln ist die Produktion von Fleisch, Eiern, Fischprodukten und Gemüse erheblich angestiegen, während Grundnahrungsmittel insbesondere in Industrieländern, aufgrund des geringen Protein Anteils, langsam immer unbeliebter werden.
Tierischen Proteinen wird in der Ernährungswissenschaft eine besonders hohe Bedeutung zugewiesen. Empfohlen sind ca. 20 g/Tag (das entspricht ca. 120 g Fisch). Leider ist die Verfügbarkeit von tierischen Proteinen aufgrund einer geringen Verfügbarkeit örtlich nicht überall gegeben. Eine Unterversorgung mit tierischen Proteinen kann der Grund für Mangelerscheinung an Mikronährstoffen und essenziellen Aminosäuren sein, die wiederum den Stoffwechsel regulieren und den Körper vor Giften und Krankheiten schützen. Mangelernährung kann schwerwiegende Langzeitfolgen wie eine Herzrhythmusstörung, Demenz, Schwächung des Immunsystems und neurologische Störungen hervorrufen Fisch trägt dazu bei, die defizitäre Versorgung zu verbessern. Schon geringe Mengen können die Mangelerscheinungen wieder ausgleichen und helfen, die Unterernährung zu überwinden. Insgesamt stammen etwa 17 % der weltweit konsumierten tierischen Proteine vom Fisch, das entspricht einem Anteil von 20 % der durchschnittlichen Pro-Kopf-Aufnahme von tierischem Eiweiß. Durch lokale Gegebenheiten kann der Anteil an tierischen Proteinen aus Fisch noch weiter gesteigert werden. Inselstaaten haben einen Anteil von teilweise über 70 %
Die Nachfrage nach Fisch für den menschlichen Verzehr steigt immer weiter. Der durchschnittliche jährliche Verbrauch des weltweiten Fischkonsums stieg zwischen 1961 und 2016 mit 3,2 % in etwa doppelt so stark wie vergleichsweise das Bevölkerungswachstum mit 1,6 % (Abbildung 1). 2016 erreichte die weltweite Fischproduktion ihren Hochpunkt mit circa 171 Millionen Tonnen Fisch. Aus Aquakulturen stammen davon 53 %. Nur 47 % der aus Aquakultur stammenden Fische werden direkt zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Die restlichen 6 % unterliegen dem Non-Food-Use (z. B. Verarbeitung zu Fischmehl und Fischöl).

Abbildung 3: Der jährliche Fischverbrauch 2015
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Speisefisch stieg mit einer Rate von 1,5 % pro Jahr von 1961, 9 kg, auf 20,2 kg im Jahr 2015. In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei 13,7 kg.
In der Umfrage zum Kenntnisstand über Aquakultur 2020 gaben 84 % aller Befragten im Raum Norddeutschland an, Fisch zu essen. Insgesamt 59 % konsumieren zwischen mindestens einmal pro Woche oder einmal pro Monat Fisch. Diese Umfrage zeigt, dass Fisch eine wichtige Rolle in der Ernährung vieler Menschen spielt. Bei einem angenommenen Fischverbrauch von ca. 200g Fisch wöchentlich oder monatlich, ergäbe das eine Jahresmenge zwischen 17 und 5,6 kg. Bei 59 % der Fischkonsumenten, die in der Umfrage ermittelt wurden, ergäbe das einen ca. Pro-Kopf-Verbrauch zwischen 3 und 10 kg. Dies läge weit unter dem weltweiten Pro-Kopf-Verbrauch und des Pro-Kopf-Verbrauches in Deutschland. 16 % der 15-25-Jährigen gaben an niemals Fisch zu konsumieren, während dies bei den über 50-Jährigen nur 3 % taten. Der Grund dafür könnte sein, dass junge Menschen offenbar weniger Fisch verzehren als ältere aufgrund sich verändernder Essgewohnheiten.
Zudem ist Fisch ein sehr vielseitiges Nahrungsmittel und kann auf viele verschiedene Arten zubereitet werden. Allerdings ist bei der Verarbeitung von Fisch auch zu beachten, dass dieser schnell verdirbt. Um sich vor einer Fischvergiftung, Verschwendung oder Verlusten zu schützen, ist für die Verarbeitung von Fisch eine gewisse Sorgfalt und Infrastruktur vorauszusetzen.
Europa und Nordamerika bevorzugen den Fisch zum menschlichen Verzehr tiefgefroren. Mehr als zwei Drittel des verzehrten Fisches wird tiefgefroren gekauft. Der Verkauf von lebendigem Fisch ist in Asien, vor allem Südostasien, weiterhin sehr beliebt. Afrika bevorzugt den Fisch geräuchert und liegt damit über dem Weltdurchschnitt des Konsums von geräuchertem Fisch.
Die Vorteile der Aquakultur sind, dass als natürliche Grundvoraussetzung nur Wasser vorhanden sein muss. Sie kann an Küsten, Seen, Teichen, Bächen oder sogar in Hallen betrieben werden. Aufgrund dieser Einfachheit und des vergleichsweise sehr starken Bevölkerungswachstums sind die größten Aquakulturproduzenten Entwicklungsländer. Auf diese entfallen 80 % der gesamten Erzeugung weltweit. Die ländlichen Regionen der Entwicklungsländer sind teilweise vom globalen Lebensmittelhandel ausgeschlossen und müssen ihre Versorgung selber sichern. Eine weitere Steigerung und ggf. Intensivierung der Aquakulturproduktion mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgung der rasant wachsenden Bevölkerung steht allerdings schnell in Konflikt mit Unwissen über Aquakultur, den finanziellen Ressourcen und Interessen der Betreiber in diesen Ländern. Um eine Versorgung durch Aquakultur gewährleisten zu können muss Fachkenntnis zur Bewirtschaftung (Tierhaltung/ Umweltschutz), notwendigen Ausstattung der Betriebsmittel (z. B. Reinigungsanlagen, Becken) und eine entsprechende Infrastruktur (Gebäude, Straßen, Arbeiter) vorhanden sein. Um all diese Voraussetzungen erfüllen zu können muss ein gewisses Startkapital vorhanden sein. In ländlichen Regionen der Entwicklungsländer ist dies aber kaum genügend vorhanden, es müssen oft ortsfremde Investoren gesucht werden. Ortsfremde Investoren haben aber nicht immer das Bedürfnis die Lebensqualität der Menschen aus der Region zu verbessern. Ihre Interessen liegen nicht unbedingt auf der Versorgung der Menschen vor Ort, sondern auf dem Export. Wenn nun die kompletten Fischerzeugnisse exportiert werden, benötigen die dort lebenden Menschen immer noch eine Quelle für tierische Proteine. Die Interessen der Betreiber müssen also im Vorfeld geprüft werden.
Derzeit lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung weniger als 60 km entfernt von den Küsten. Wenn die Küstenbesiedelung weiterhin steigt, wächst auch die Wichtigkeit von Fisch als Nahrungsmittel. Daher ist es umso wichtiger, die Überfischung der Weltmeere zu unterbinden (Siehe Artikel: Überfischung der Weltmeere) und die Fischbestände zu sichern. Nachhaltige Aquakultur scheint hier die einzige sinnvolle Alternative darzustellen.
Referenzen
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Abbildung 3:
Food and Agriculture Organisation of the United Nations. (2018). FAO. 2018 The State of World Fisheries and Aquaculture 2018- Meeting the sustainable development goals. Rom, Italien.
Abbildungsverzeichnis
Diagramm 1: Fischkonsum 15-20-Jährige
Diagramm 2: Fischkonsum über 50-Jährige
Diagramm 3: Der jährliche Fischverbrauch